Schule anders erleben

Kritik am Schulsystem

In diesem Artikel beleuchte ich das österreichische Schulsystem aus meinem Blickwinkel. Ich bin 14 Jahre alt und gehe in die 5. Klasse (5A). Ich bin sehbeeinträchtigt, und arbeite deshalb mit Laptop und einer Braillezeile. Eine Braillezeile ist ein Gerät, das man unter den Laptop stellt und alles, was auf dem Bildschirm zu sehen ist in Brailleschrift übersetzt. Außerdem habe ich mit Frau Professorin Lozar gesprochen. Sie hat mit mir über Ihre Kritikpunkte am österreichischen Schulsystem gesprochen. Dieses Gespräch könnt ihr auf unserem Schul-Podcast zu hören.

Meine Schulsituation

Zuerst gibt es einen Begriff zu klären und zwar den Begriff der „Inklusion“. Das bedeutet, dass man trotz einer Beeinträchtigung in eine "normale" Schule geht. Das Gegenteil davon - zumindest im Fall von Sehbehinderung oder Blindheit - wäre das BBI (Bundesblindeninstitut). Dort gibt es eine eigene Volkschule, Mittelschule, und Handelsschule.

Ich bin schon meine ganze Schullaufbahn in Inklusion. In der Volkschule war ich in einer Integrationsklasse. In der Unterstufe wurde ich zwei Stunden in der Woche von einem Lehrer aus dem BBI betreut und war auch auf einem "normalen" Gymnasium. Am liebsten wäre ich auch dort in die Oberstufe gegangen, aber der Direktor hat mir gesagt, dass er sich das in der Oberstufe nicht vorstellen kann. Begründet hat er seine Aussage mit zu wenig finanzieller Unterstützung und zu wenig Kapazitäten bei den Lehrpersonen. Nun bin ich hier an der Kandlgasse.

Rechtliche Grundlagen

Als ich von meiner alten Schule abgewiesen wurde, habe ich ein bisschen über die rechtlichen Grundlagen recherchiert und ich habe schockierende Erkenntnisse gewonnen. Im Gesetz steht nämlich, dass Schulen Kinder mit Behinderung - nach Erfüllung der Schulpflicht - abweisen dürfen, nur weil sie behindert sind.

Die Politik ist gefragt

An diesem Problem sind aber keineswegs die Schulen schuld. Es mangelt an vielen Schulen an Lehrkräften und Geld. Genau deshalb sollte die Politik allen Schulen das Geld und die Kapazitäten geben, damit sie Kinder mit Behinderung aufnehmen können. Außerdem muss auch dem Lehrkräftemangel schnellstmöglich ein Ende gesetzt werden.

Aber es läuft nicht alles schlecht - mein Schulalltag:

Ich arbeite fast ausschließlich auf dem Laptop und da hat mir die Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung sicher geholfen. Nun haben alle Kinder ab der 1. Klasse Unterstufe einen Laptop. Sogar Schularbeiten schreibe ich am Laptop. Die Lehrer*innen schicken Sie mir per Teams, genauso wie Stundenwiederholungen und Hausaufgaben. Dafür müssen die Dokumente aber bestimmte Kriterien erfüllen. Wenn sie das tun, nennt man sie barrierefrei. Das kostet die Lehrer*innen auch ein bisschen mehr Zeit, daher wären ein höheres Gehalt oder andere Anreize wichtig. Allerdings fehlt das Geld an allen Ecken und Enden (siehe 2. Absatz).

Unabhängig davon habe ich noch ein paar andere persönliche Kritikpunkte am österreichischen Schulsystem:

  1. Der Sportunterricht

Ich denke mal, dass das Fach Sport bei den wenigsten beliebt ist, genauso bei mir. Meiner Meinung nach liegt das Problem darin, dass man sich nicht die ganze Zeit bewegt, sondern auch viel geredet wird und teilweise auch nur ein Kind eine Übung macht. Des Weiteren kann es auch zu Ausgrenzung kommen, wenn man im Rollstuhl sitzt oder eine Sehbehinderung hat. Meine Lösung wäre hier, dass sich jedes Kind eine Sportart aussucht und diese privat ausübt. Das muss man dann der Schule vorweisen und der Sportunterricht könnte aufgelöst werden.

  1. Politische Bildung und Demokratie statt Religion und Ethik

Meiner Meinung nach hat Religion in der Schule nichts zu suchen. Wenn man religiös ist, kann man das gerne zu Hause ausüben, aber es ist falsch, dass man von der Schule dazu erzogen wird. Statt Ethik oder Religion könnte man politische Bildung und Demokratie als eigenständiges Fach einführen, weil es sehr wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche die politische Situation verstehen und wissen, dass wir in einer Demokratie leben und es wichtig ist wählen zu gehen.

  1. Mehr Raum, um Fächer zu wählen/abzuwählen

Ich finde, dass man ab der Oberstufe schon gut weiß, was einen interessiert und was nicht. Deshalb fände ich es gut, dass man pro Fach eine fixe Stundenanzahl erreichen muss, aber auch Stunden in Fächern, die einem nicht gefallen, durch Stunden in Fächern, die einem gefallen, ersetzten kann. Außerdem wäre es auch gut, dass Fächer, die es jetzt noch nicht an allen Schulen gibt, angeboten werden. Beispiele hierfür wären: Medien und Schulzeitung, Theater, Umweltschutz u.Ä.

  1. Bildung wird vererbt

Das bedeutet konkret, dass Kinder deren Eltern studiert haben, bessere Chancen haben, selbst auch mal zu studieren oder einen Beruf zu ergreifen, in dem sie gut verdienen. Im Umkehrschluss gehen Kinder deren Eltern nicht viel verdienen auf Mittel - und Berufsschulen und verdienen selbst mal sehr wenig. Dem könnte man mit mehr Förderangeboten entgegenwirken. Außerdem finde ich es schlecht, dass die Volkschule nur vier Jahre dauert. Es ist nicht richtig die Kinder mit zehn Jahren in "schlecht" (Mittelschule) und "gut" (Gymnasium) einzuteilen. Es wäre gut, wenn die Volkschule acht Jahre dauern würde und dann alle auf Schule gehen, wo man Matura macht und so alle die gleichen Chancen haben.  

Lena Pavlovic